Blütezeiten der Abendländischen Kultur
Tempelbau und Blütezeit
Salomos Hohelied (Hohelied der Liebe)
– gesungen in Hebräisch
Das Goldene Zeitalter
sephardische und orientalische Gesänge
– gesungen in Hebräisch und Ladino
Frühmittelalterliche Cantigas
Cantigas de Santa Maria und
Cantigas de amigo
– gesungen in Galicisch-Portugiesisch
Tempelbau und Blütezeit
Das Hohelied Salomo – shir hashirim
Shir hashirim: Das ist Salomos Hohelied der Liebe, auch genannt das Lied der Lieder.
Es gilt als die sinnlichste geistliche Liebeslyrik des Abendlandes.
Das Hohelied wurde unter König Salomo verfasst. Ihm schreibt man das Liebeslied in seinem ganzen sinnlichen-poetischen Zauber zu. Darin geht es ums Suchen, Finden und Verlieren – und um die Zuneigung zweier Liebender in vollkommener Schönheit, Verzückung und Erotik.
König Salomo, Sohn und Nachfolger König Davids, wurde von Gott auserwählt und gilt als weisester König. Er baute den Tempel, und unter seiner Herrschaft erlebte das israelitische Volk eine Blütezeit. Denn in diesem Tempel nahm der Geist Gottes Wohnung inmitten des Volkes. Die jüdische Religion versteht das Hohelied als Ausdruck der Liebe Gottes zu seinem Volk Israel – als Geliebter und Bräutigam zu seiner Geliebten, seiner Braut. Das Christentum interpretiert es als die Liebe Christi zu seiner Kirche.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts sehen wir das Hohelied als geistlich und weltlich untrennbare Liebeslyrik.
Das Goldene Zeitalter
Sephardische und orientalische Lieder
Mit der Eroberung Spaniens und der damit einhergehenden Islamisierung im Jahre 711 erlebte das dort heimisch gewordene
spanisch-jüdische Volk eine kulturelle Hoch-Zeit, das sogenannte Goldene Zeitalter. Auf Grund des friedlichen
Zusammenlebens unterschiedlicher Völker fand eine kulturelle Befruchtung statt. In religiöser, wissenschaftlicher
und kultureller Hinsicht war sie einzigartig.
Während dieser rund 500 Jahre konnten die Sephardim (hebr. = sefarad: Spanien) ihr Leben weitgehend frei bestimmen.
Die jüdische Poesie und Musik gelangte zu einem neuen Höhepunkt. Musiker der drei abrahamitischen Religionen und Kulturen arbeiteten eng zusammen. Dabei entstanden Lieder, die diese musikalisch einzigartige Verschmelzung in ihrer ganzen Schönheit ausdrücken.
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Frühmittelalterliche Cantigas
Zu den Werken der altgalizisch-portugiesischen Kunstlyrik gehören:
- die Cantigas de Santa Maria (von Alfonso X. El Sabio, 1221–1284)
- die Cantigas de amigo (von Martim Codax, 13. Jh.)
Cantigas de Santa Maria
Troubadourkönig Alfonso X. EL Sabio
Alfonso X., genannt El Sabio (der Weise),regierte von 1252 bis 1284 Kastilien und Leon. Der Eroberer und König gilt
als ambitionierter Geist und einer der aufgeklärtesten Herrscher seiner Zeit.
Die lyrischen Werke des leidenschaftlichen Poeten bestehen aus insgesamt 427 Cantigas de Santa Maria (61 Loblieder
und 356 Wundererzählungen zu Ehren der Jungfrau Maria). Alfonso X. verfasste sie in Galicisch-Portugiesisch, zu jener Zeit
die bevorzugte Sprache für gesungene Poesie. Der Troubadourkönig hatte sich für sie als einheitliche künstlerische Sprache eingesetzt. Galicisch-Portugiesisch klingt sehr musikalisch und beruht auf den Traditionen der drei abrahamitischen Kulturen. Sein Leben lang war König Alfonso X. der Spiritus Rector dieses gesamten schöpferischen Prozesses.
Unter der Herrschaft von Alfonso X. wurde der Reichtum des Zusammenlebens der drei Kulturen möglich, sichtbar und hörbar. Das Repertoire seines Werkes ist geprägt von reicher Vielfalt, eleganter Schlichtheit der Melodien und geistvoller Ausdruckskraft der Texte.
Agnes Erkens möchte Völker und Religionen verbinden. Ihre Intention prägt die gesangliche Interpretation des lyrischen Werks von Alfonso X. und wird seinem Geist gerecht. In ihrem Gesang finden Natürlichkeit und Ursprünglichkeit ihren Ausdruck.
Cantigas d’amigo
(Martim Codax, 13. Jahrhundert)
Die Cantigas de amigo sind weltliche Liebeslieder, auch Freundeslieder genannt. Sie gehören zu den Frauenliedern, einer volkstümlichen Liedform. Deren älteste Form ist das Selbstgespräch eines Mädchens, das seinen Gefühlen Ausdruck verleiht. Durchgehendes Motiv der Lieder sind die klagenden Fragen jenes Mädchens. Sie richten sich an den abwesenden Freund, an die Mutter, an die Freundin oder an die Naturgewalten (z. B. Ondas do mar de Vigo).
Diese Frühform iberoromanischer Lyrik erinnert inhaltlich und formal an die Hargas, romanische Frauenlieder aus dem maurischen al-Ándalus (Andalusien/Spanien) des 11. und 12. Jahrhunderts. Dabei handelt es sich um die Glanzpunkte
der arabischen und hebräischen Muwassah-Dichtung. Beide – Cantigas de amigo und Hargas – sind in der gleichen Knappheit und in sehr volkstümlich getönter Unmittelbarkeit gedichtet.
Auf Grund der damaligen Stellung der Frau wurde die Poesie und Kunstlyrik von Dichtern des kastilischen Hofes bestimmt. Der Dichter der Cantigas de amigo, Martim Codax, schlüpfte in die Rolle der Frau. Seine Cantigas de amigo sind von natürlicher und ursprünglicher Schlichtheit. Dennoch oder gerade deshalb bestechen sie durch eine poetische, magisch-suggestive Wirkung. Die Form der Dichtung ist besonders: Meist sind die Strophen dreizeilig, und im Kehrreim entwickelt sich der Drang des Herzens zu einem starken Gefühl der Sehnsucht.
In der Interpretation der Sängerin Agnes Erkens findet diese schlichte Poesie auch heute ihren Ausdruck. Die Sängerin trägt die Cantigas a capella vor, begleitet von der arabischen Laute (Oud) oder Saz und Baglama.